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Orte an denen das Leben kippt

Veröffentlicht am 30.11.2017

SWP Ulm/Neu-Ulm

Artikel von Frederik Eickmanns 21.11.17

Veronika Missel aus Lonsee: Orte an denen das Leben kippt

Frederik Eikmanns | 21.11.2017

Veronika Missel mit ihren „Bartifonen“. Inspiration für die Figuren war die biblische Geschichte des Bartimäus, der um Hilfe rief und von Jesus deshalb geheilt werden konnte.  Foto:  Frederik Eikmanns

Wer ins Atelier von Veronika Missel will, muss sich erst zwischen Obstkisten hindurchschlängeln und den zugigen Verkaufsbereich eines Gemüseladens durchqueren. Dann steht man plötzlich im hellen Raum, in dem die 54-Jährige in Lonsee ihre Kunstwerke anfertigt. Als erstes fallen die Figuren auf, die Trompeten statt Köpfen auf den Schultern tragen und so aussehen, als ob sie gleich Lärm machen – die Abschlussarbeit ihres Kunststudiums in Nürtingen. Seit sie das Studium vor zwei Jahren beendet hat, arbeitet sie hier, im Gebäude des Obst- und Gemüseladens Albgärtle.

Die Freiheit sich ausschließlich mit Kunst zu beschäftigen, hat Missel erst, seit ihre vier Kinder erwachsen sind. Zuvor war sie als Krankenschwester tätig. Jetzt hilft sie noch ab und zu in der Tierarztpraxis ihres Mannes, arbeitet aber eigentlich Vollzeit im Atelier. Mit der Arbeit „Refugium“ ist die Künstlerin vor kurzem fertig geworden: In Mannheim hat sie einen Abluftschacht nahe des Wasserturms ausgekleidet und einen Spiegel so installiert, dass es wirkt, als setze sich die künstlich geschaffene Höhle endlos fort. Ein wenig düster sehe das Werk auf Fotos aus, sagt Missel.

Das ist Absicht: Sie interessiert sich für die Grenzräume zwischen dem Angenehmen und dem Unangenehmen, zwischen Zuversicht und Angst – „Orte, an denen das Leben kippt“, wie sie es formuliert. Der künstlerische Anspruch ist ihr wichtig. „Ich mache keine Deko“, sagt sie.

Missels Thema irgendwo zwischen Licht und Schatten spiegelt sich auch im Material, das sie verwendet. Viele ihrer Werke bestehen aus Wolle. Die sei auf der einen Seite sehr vertraut, gleichzeitig sei sie aber auch fremd und unbekannt, sagt die Künstlerin, deren Eltern in ihrer Kindheit mehrere Schafe hielten.  „Das Material weckt Reaktionen bei den Leuten.“

Mehrere Wäschekörbe, aus denen verschiedene Sorten Schafsfell quellen, stehen im Atelier. Aber auch Metall – ein Kontrast zur weichen Wolle – hat es Missel angetan. Um damit zu arbeiten, hat sie gelernt zu schweißen.

Dass sie 2009, im Alter von knapp 46 Jahren, nochmal studiert hat, findet die gebürtige Bayerin nicht ungewöhnlich. „Toll“ sei das gewesen. Angefangen hatte sie mit dem Fach Kunsttherapie in München, um dann die Stadt zu wechseln und sich nicht mehr der Therapie, sondern der reinen Kunst zu widmen. Bis heute steht ein von ihr gefertigter Wasserspeier vor der Kunstakademie in Nürtingen. Aber auch außerhalb ihres ehemaligen Studienorts scheinen Missels Werke gefragt zu sein. Bis auf die Trompetenfiguren, die den Namen Bartifone tragen, finden sich keine ihrer Skulpturen im Atelier. Nur Missels Pudel „Cello“ liegt zufrieden in einer Ecke. Wo die ganzen Werke sind? Fast alle werden gerade an verschiedenen Orten ausgestellt, erzählt die Künstlerin.

 

Das Werk von Veronika Missel

Höhle Skulpturen und Installationen von Veronika Missel werden an ganz unterschiedlichen Orten ausgestellt. Ihre Schacht-Installation „Refugium“ war bis vor kurzem in Mannheim nahe des Wasserturms zu sehen. Das Kunstwerk entstand auf Einladung des Industrietempel-Vereins, der noch  andere Künstler um die Gestaltung von Abluftschächten gebeten hatte.

Wolle Eindrucksvolle Wollfiguren von Missel sind noch bis zum 3. Dezember im Paulusgemeindezentrum in Geislingen zu sehen. Zusammen mit anderen Künstlern hatte sie sich dafür mit dem Luther-Zitat „Hier stehe ich“ auseinandergesetzt.

Frederik Eikmanns | 21.11.2017