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Geislinger Zeitung / SWP / 24.5.2016 / Claudia Burst Den Gefühlen ein Bild geben

Veröffentlicht am 27.05.2016

Veronika Missel hat Wolle und Metall als "ihre" Arbeitsmaterialien entdeckt. Damit transportiert die Bildhauerin aus Lonsee Gefühle.

Ein sechsköpfiges, skurriles Orchester trötet im Atelier von Veronika Missel. Zu hören ist zwar nichts, aber die Leidenschaft der Wollfiguren, der Schwung, mit dem sie Posaune, Trompete oder Horn zu spielen scheinen, reißt den Betrachter mit.

Es handelt sich um sechs Kreationen, an denen Veronika Missel momentan arbeitet. Gestalten - Tiergestalten? - aus einem Metall-Draht-Gestell und reiner, unbehandelter Schafswolle. "Die Gruppe ist das Abschlussprojekt meines Kunststudiums", verrät die 52-jährige Künstlerin aus Lonsee, die vor fünf Jahren mit einem Studium an der Freien Kunstakademie in Nürtingen begonnen hat.

Gelernt hat die vierfache Mutter einst den Beruf der Krankenschwester, Handarbeiten gehörten zu ihren Hobbys. Auch diese hatten häufig mit Wolle zu tun - stricken, häkeln, knüpfen -, aber erst jetzt, seit die Kinder erwachsen sind, entdeckt Veronika Missel die Wolle auf Metall als ihren Weg, sich künstlerisch auszudrücken. "Ich muss daran rumbiegen und zupfen, nähen, filzen und wickeln können, bis alles passt. Das dauert oft lange - das Werk sagt mir dann selbst, wie's werden will. Es ist ein Dialog, der mir gefällt", beschreibt sie.

Ein Atelier besitzt die Lonseerin erst seit einem halben Jahr. Vorher hat sie meist im Kleinen zu Hause oder in der Akademie in Nürtingen gearbeitet. Anfangs an Betonguss-Figuren - ein Wasserspeier von ihr ziert bis heute den Eingangsbereich vor der Akademie, später mit Rauminstallationen aus Wolle oder Wolle und Schweinedarm. "Ich wollte, dass man Gefühlserlebnisse im Raum hat." Sie beschreibt Wolle, genauso wie den Schweinedarm, als "ambivalent": "Wolle ist schön und weich und eklig und dreckig und kuschlig und abstoßend - alles in einem. Und die intensivsten Gefühle hat man doch, wenn ein Erlebnis auf der Kippe steht zwischen schön und schrecklich."

Es folgten ihre Wolle-Männer. Mit einem lebendigen Körperausdruck, der Gefühle transportiert und beim Betrachter auslöst. Und jetzt die Kreativfiguren mit und aus den Musikinstrumenten. Sie füllen das Atelier, das mit seinem abgeschabten Betonboden, den praktischen Regalen und Arbeitsflächen, dem Werkzeug an der Wand oder dem Schweißtisch in der Ecke eher an eine Werkstatt erinnert. Außer dass Pudel "Cello" auf seinem Kissen mittendrin liegt und immer wieder neugierig an den Kunstwerken schnüffelt.

Das Atelier befindet sich im unteren Stock eines ehemaligen Fabrikgebäudes. Es ist ein Raum mit hellen Wänden, mit Tageslicht aus einem Fenster in Kombination mit Neonlicht. Abgetrennt von den anderweitig genutzten Räumlichkeiten wird es durch eine Schiebetür und mittels Vorhängen.

Für ihre Kunst muss Veronika Missel auch reines Handwerk beherrschen. So hat sie in einem Kurs das Schweißen erlernt, um ihren Gestalten ein stabiles Metall-Innenleben zu verleihen - zum Beispiel ihren Orchesterfiguren: Eine stakt auf dünnen Eisen-Storchenbeinen durchs Atelier, die andere tanzt auf der Mechanik einer ausgedienten Posaune, die Dritte schwebt an der Wand und wartet noch auf die Wolle, die sie in einen Körper verwandelt.

Bei der Wolle existieren große Unterschiede, weiß die Expertin, die in der Nähe von München aufgewachsen ist und deren Familie schon damals Schafe hielt. "Jede Wolle fühlt sich anders an, je nachdem, ob es von Heidschnucken, vom Merinoschaf oder von Bergschafen stammt. Oder wie das hier, das ist Wolle vom ,Walliser Schaf'."

In ihr Atelier kommt Veronika Missel, so oft sie Zeit dazu findet. "Oft komm ich mit einer bestimmten Vorstellung dessen her, was ich tun will. Und hier entstehen dann ganz andere Dinge. Ich liebe es, einfach so rumzuprobieren und meinen Gefühlen durch die Kunst ein Bild zu geben.

GZ-Serie Atelierbesuch

Seit neun Monaten läuft unsere Serie "Atelierbesuch". In dieser Zeit sind wir schon weit herumgekommen. Bis jetzt haben wir folgenden Malern, Bildhauern und Objektkünstlern einen Besuch abgestattet (.....)

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CLAUDIA BURST | 24.05.2016