Auf der Kante
Nürtinger Zeitung, 01.07.2019, Von Gaby Weiß
„Eigenleben“ heißt die Ausstellung in der Galerie im Forum Türk, in der Regine Krupp-Mez (links) Malerei und Veronika Missel Kreaturen und bewegte Objekte aus Wolle und Metall zeigen. Foto: Weiß
Es sind seltsam-skurrile Gestalten und irritierende Wesen, die Veronika Missel schafft: Sie heißen Wankel, Grottenwolme, Bartifone oder Lanozyten und haben eine Metallhacke als Fuß, Sektkorken als Augen oder einen Trompeten-Trichter als Gesicht. Wer genau hinschaut, entdeckt ein kleines Nest: Hat da einer der wolligen Gesellen etwa ein Ei gelegt? Kinetische Objekte bringen Bewegung ins Spiel: Ein Haufen Woll-Puschel macht sich als „Pilger“ auf den Weg, ein riesiges Wollknäuel spinnt bedächtig am Lebensfaden des Menschen und ist nach der griechischen Schicksalsgöttin Klotho benannt.
Die Schafwolle, die die Wollkünstlerin zupft, näht, filzt und wickelt, ist eigentlich kuschelig, wärmend und animiert zum Streicheln, kann aber auch fettig, kratzig und schmutzig daherkommen. Ein Korb mit naturbelassener Wolle und eine der großen Kreaturen laden ein: „Mich darf man anfassen.“ Das ist aber alles andere als plüschig, denn es balanciert immer auf der Kante und könnte auch abstürzen ins Ungewisse, in jene dunklen Räume, die jeder in sich trägt.