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Refugium

Veröffentlicht am 27.10.2017

Videos und Presse zur Arbeit Refugium:

www.vimeo.com/237044908

www.vimeo.com/237045657

http://www.industrietempel.de/schaechte/bild.pdf

http://www.echo-online.de/lokales/nachrichten-rhein-neckar/die-schaechte-des-lichts--unterirdische-kunst-in-mannheim_18227711.htm

Rhein-Neckar05.10.2017

 

„Die Schächte des Lichts“ – unterirdische Kunst in Mannheim

 
 
Von Christian Hoffmann

MANNHEIM - In der Dunkelheit hat sich auf dem Friedrichsplatz neben dem Wasserturm eine Menschentraube versammelt. Überall stehen sie um die großen Metallgitter herum, die dort in den Boden für die Lüftungsschächte eingelassen sind. In gebeugter Haltung blickten die Menschen durch die Gitter hinunter. Unter einem der Metallgitter, tief unten im Schacht, starren zwei große Puppen empor, die wie zwei Ameisenbären aussehen. Einer der beiden Ameisenbären – die Künstlerin Veronika Missel nennt ihre Wesen „Grottenwollme“ – unternimmt den Versuch, im Lüftungsschacht an die Oberfläche zu klettern. Dazu tönt aus dem Loch nervenkitzelnde Streicher- und Bläsermusik.

 

Diese Installation ist Teil des urbanen Kunstprojekts „Die Schächte des Lichts 2017“, das soeben Eröffnung feierte. Unter drei Lüftungsgittern am Wasserturm sind bis zum 5. November täglich in den dunklen Abendstunden leuchtende und klingende Installationen zu betrachten – ein Projekt des Vereins Industrietempel. „Seit 1989 verwandelt der Verein vor allem Anlagen des Industriezeitalters in Tempel der Kultur. Außergewöhnliche Projekte für außergewöhnliche Orte“, liest man im dazugehörigen Informationsheft. Jetzt also bespielt der Industrietempel die kühle und windige Unterwelt des Friedrichsplatzes.

Künstlerin Veronika Missel stieß über ihr Kunststudium im schwäbischen Nürtingen bei Stuttgart zum Projekt „Die Schächte des Lichts 2017“. Im Hinblick auf die unterirdische Gestaltung der Lüftungsschächte ließen die Organisatoren den drei teilnehmenden Künstlern freie Hand“, erklärt Veronika Missel. „Die Metallgitter kann man von oben nicht öffnen. In die Schächte kommt man nur durch eine abgeschlossene Tür unten im Parkhaus.“ Denn unter dem Wasserturm erstreckt sich eine öffentliche, verwinkelte Tiefgarage.

Veronika Missel, die im Sommer 2015 an einer Skulpturenausstellung in einer stillgelegten Justizvollzugsanstalt in Magdeburg mitgewirkt hat, ist erst verhältnismäßig spät in der professionellen Kunst angekommen. Vor drei Jahren konnte die 54-Jährige ihr Studium abschließen. In einen benachbarten Lüftungsschacht baute sie einen optisch täuschenden Abgrund ein, mit Schafswolle und einem Spiegel ausstaffiert: So entsteht beim Betrachter die Illusion, in ein unendlich tiefes Loch zu blicken.

Wenige Meter entfernt befindet sich unter einem anderen Metallgitter die Installation ihres Kollegen Daniel Niethammer aus Reutlingen. In Niethammers städtischer Bodenhöhle blitzen farbige Lichter verbunden mit synthetischen Maschinengeräuschen wie aus einem Science-Fiction-Film. Seine Installation trägt den Titel „Pforte der Wahrnehmung“, in Bezug auf den gleichnamigen Essay des britischen Schriftstellers Aldous Huxley. „Meine Installation besteht aus zweieinhalb Stunden Sound mit dem Licht von LED-Scheinwerfern“, schilderte der 24-Jährige, der wilde, braune Dreadlocks trägt, die am Hinterkopf zu einem dicken Knoten verwickelt sind. In dem Essay berichte Autor Aldous Huxley über Drogenerfahrungen mit der Substanz Meskalin und wie dieser Stoff seine Sinneseindrücke veränderte. „Den Sound habe ich selbst am Computer mit Geräuschen, wie dem Blöken von Schafen, entwickelt“, erläutert Niethammer. „Das hat bei mir mit Flucht aus der Alltagswelt zu tun, sehr psychedelisch.“ An anderer Stelle, an der Fußgängerampel zum breiten Kaiserring, leuchtet nachts der Lüftungsschacht der dritten Künstlerin Michèle Janata, eine 25-jährige Halbkolumbianerin aus Karlsruhe. In ihrem Schacht liegen schwere Betonklötze auf einem Haufen, die mit einer durchsichtigen Plastikfolie überdeckt sind. „Das ist wie eine transparente Haut“, erzählt die Studentin der Bildhauerei.